Wenn man die erste auf der Piste ist … Wedeln zum Sonnenaufgang am Pitztaler Gletscher
Für manche mag es schon etwas verrückt sein, wenn an einem Samstag um 4:45 Uhr der Wecker klingelt und einen aus den Träumen reißt. Nur gut, dass ich a) ein Morgenmensch und b) bei dem Gedanken an Ski, Schnee und Gondeln sowieso schon vor dem Klingeln munter bin.
Am 15. März war der letzte Skitag in Tirol. Das ist jetzt über 6 Monate, 200 Tage und weit mehr als 5.000 Stunden her. Dass ich das so genau sagen kann, lässt wohl erahnen, dass mir die Tage auf den Brettern arg gefehlt haben. Daher wundert es auch niemanden, dass die Vorbereitungen für den ersten Skitag schon früh begonnen haben: Die Skier aus dem Schrank zum Papa in die Werkstatt stellen und prüfen lassen, ob ich damit auch gscheit den Berg hinunter komm, in den Skianzug reinquetschen und hoffen, dass die Corona-Kilos ihn nicht zum Platzen bringen (uff, er passt noch), Brille putzen und das kleine Loch im Innenfutter des Handschuhs ignorieren – für die ersten Abfahrten tuts der noch.
Ski, Schuhe, Stecken, Helm, Handschuhe, Brille, … alles da, alles passt (halbwegs) – schaut ned schlecht aus 🙂
In der Früh werden die Haare geflochten, damit sie den ganzen Tag unterm Helm bleiben, danach gibt’s ein Power-Frühstück mit Ei, Vollkornbrot und a bissl Gemüse (zwecks healthy lifestyle und so). Auto beladen, Kofferraum zu, Musik an und los geht’s …
Eine knappe Stunde später stehe ich beim Gletscherexpress, der dieser Tage bereits um 7:30 Uhr die Bergfahrt antritt. Die erste bin ich dann doch nicht ganz, sind derzeit noch Profi-Skisportler*innen beim Trainieren. Aber auch viele „Normalos“ wie ich haben genügend Motivation, sich mit der Bahn von 1.800 gute 1.000 Höhenmeter in den Gletscher transportieren zu lassen. Skibetrieb ist immerhin schon seit 19. September, aber dank des Schneefalls sind seit 10. Oktober alle Anlagen auf grün und auch die Höhenloipe auf 2.700 hm hat geöffnet.
Um kurz nach 7 stiehlt sich die Sonne langsam über die Pitztaler Gipfel und taucht die Spitzen in ein mystisches Rot. Und genau dorthin, ganz noch oben, führt mein Weg. Vor der Auffahrt auf 3.440 hm darf ein kurzer Plausch mit Markus Santeler nicht fehlen, der im Führerhäusl der Wildspitzbahn die Stellung hält. Stolz präsentiert er mir seine neue Kapselkaffeemaschine, die er „extra für mich angeschafft hat“. Ich behaupte einfach einmal, dass ich im März nicht gesagt hab, ich würde nicht mehr bei ihm vorbei schauen, wenn er mir weiterhin Löskaffee vorsetzt. Die Pitztaler Freundlichkeit darf nicht unterschätzt werden. Ich verspreche, später zum Kaffeeklatsch einzukehren, aber zuerst muss ich die Piste begrüßen.
Ich hüpfe in eine Gondel der Wildspitzbahn, Österreichs höchster Seilbahn, und bin im Handumdrehen auf 3.440. Nun heißt es, die Skischuhe eng zuschnallen und die ersten Schwünge auf Naturschnee zu genießen.
Oh, und wie ich es vermisst habe. Am liebsten würde ich mich mit dem Gesicht voraus in den Schnee werfen … aber wir wollen es nicht gleich übertreiben. Trotzdem kann niemand bestreiten, dass es ein wahnsinnig gutes Gefühl ist, wenn sich die Lungen mit frischer, kalter Bergluft füllen, dass es sich unglaublich schön anhört, wenn der frische Schnee unter den Brettern knirscht und die Schuhe in die Bindung schnappen.
Die ersten Schwünge auf der fast leeren Piste sind noch etwas wackelig, aber es ist eben immer wie mit Radfahren – das verlernt man nicht. Bald ist die Form wieder da und die Geschwindigkeit kann ordentlich gesteigert werden. Schnelle, kurze Slalom-Schwünge bei der zweiten Runde, langgezogene in Abfahrtsposition bei der nächsten. Hinauf und hinunter, bis sich irgendwann der Magen meldet und sagt: „Jetzt ist es Zeit für einen Apfelstrudel!“
Den bekomm ich von strahlenden Gesichtern im höchsten Café Österreichs serviert. Sepp Eiter kann glaube ich auch gar nicht anders. Er ist eine wahre Frohnatur – mit richtig stylischen Fliegen. Dass die Pitztaler Gletscherbahnen eigentlich ein großer Familienbetrieb sind, merkt man spätestens dann, wenn Philipp, Sepps Neffe, mit dem heiß ersehnten Apfelstrudel um die Ecke schießt. Eigentlich ist Philipp Hausherr im berühmt berüchtigten Hexenkessl in Tieflehn, doch zwischendurch schmeckt er auch gern die Höhenluft und greift dem Onkel unter die Arme.
Mit Kaffee und Strudel gestärkt geht es zurück auf die Piste. Manchmal muss ich mich durch das tschechische Skiteam schlängeln, irgendwo auf der Piste hab ich die schwedischen Skidamen gesehen, die sich für den Weltcup-Auftakt in Sölden vorbereiten, aber ansonsten ist es noch ganz entspannt am Gletscher.
Bisher hatte ich Glück mit dem Wetter und konnte bei strahlendem Sonnenschein meine Schwünge ziehen. Gegen frühen Nachmittag schieben sich jedoch ein paar dichtere Wolken vor die Sonne. Da sich auch schön langsam meine Beine kritisch zu Wort melden, neigt sich mein erster Skitag dem Ende zu. Skier zusammen stellen, noch schön gemütlich den Kaffee beim Markus genießen – der wirklich um Längen besser ist, als der vom März – und anschließend wieder die Abfahrt mit den Gletscherexpress angehen. Für die Talabfahrt brauchts im Tal noch ein paar Minusgrade und Zentimeter Schnee mehr.
Lange dauerts bestimmt nicht, bis zu meinem nächsten Besuch am Gletscher. Also, wenn ihr mich sucht, ich bin Skifahren. 😉