Verpeilt auf die Verpeilspitze! Eine 2-Tages-Bergtour auf 3.425 Meter im Pitztal
Im Duden stehen „chaotisch“ und „planlos“ als Synonym für „verpeilt“. Anderswo im Netz findet man „wirr“, „hirnverwaschen“ und „desorientiert“. Aber wie bloß kommt ein Pitztaler Berg zu dieser Eigenschaft? Einfach nur Mobbing oder wirklich was dahinter? – Natürlich steckt mehr dahinter!
Der Begriff „Verpeil“ kommt aus dem romanischen/rätoromanischen, genaugenommen aus der Zeit, als erste Siedler im Tal zugegen waren. Übersetzt mochte man mit dem Begriff „Verpeil“ der Bedeutung „verriegelt/abgesperrt“ Ausdruck verleihen. Und hier lässt uns die schöne Verpeilspitze (3425 m) viel Platz zum Philosophieren. Etwa, dass mit dem Wort „verpeilt“ die schwere Zugänglichkeit des Gipfels gemeint war – denn wer meint, der Aufstieg sei ein Sonntags-Spaziergang, wird hier schnell eines Besseren belehrt!
Mehrere Routen gibt es vom Pitztal aus zur Verpeilspitze. Mit der Rifflseebahn hinauf zum Rifflsee auf 2.232 Metern und über den Cottbuser Höhenweg weiter Richtung Kaunergrathütte. Oder man nimmt den direkten Weg vom Tal über Plangeroß zur Kaunergrathütte. Wir haben uns für die längere Variante über den Cottbuser Höhenweg entschieden und kurzerhand eine 2-Tages-Etappe daraus gemacht.
Tag 1: Mandarfen – Auffahrt mit der Bergbahn zum Rifflsee – Cootbuser Höhenweg – Kaunergrathütte
Ca. 4 Stunden reine Gehzeit erwarten uns am ersten Tag und wir beginnen unser Abenteuer mit dem Aufstieg über den Cottbuser Höhenweg. Im Hintergrund begleitet uns das erste Stück noch der Rifflsee auf 2.232 Meter. Da wir die ersten Höhenmeter mit der Rifflseebahn bewältigt haben, fällt uns der parallel zum Berg verlaufende Höhenweg leicht und wir nehmen uns viel Zeit, die traumhaften Aussichten auf das gesamte Pitztal zu genießen.
Bereits nach einer guten Stunde erreicht uns die erste und einzige Kletterpassage am Cottbuser Höhenweg. Als Aufstiegshilfe gibt es ein Drahtseil zum Festhalten. Für geübte Wanderer ist dieser Abschnitt relativ einfach zu bewältigen.
Immer wieder begeistert uns die Aussicht ins Tal.
Nach der Kletterpassage geht es wieder gemütlich weiter.
Als wir gut die Hälfte der Strecke hinter uns haben, können wir erstmals einen Blick auf unser heutiges Tagesziel werfen: die Kaunergrathütte auf 2.817 Meter. Hier sieht die Landschaft schon gleich viel rauer aus und mit den Pitztaler Bergführern erkunden wir die umliegende Bergwelt und Gipfel.
Im Hintergrund am Ende der Talschneiße liegt die Kaunergrathütte (nur schwer zu erkennen) – unser Tagesziel.
Nach dem Cottbuser Höhenweg steigen wir noch ein kurzes Stück ab, bevor der letzte Anstieg zur Kaunergrathütte folgt.
Dieser führt uns durch Kiesbetten, vorbei an Bächen und vereinzelnden Schneefeldern – die verschiedenen Stufen der Gletscherlandschaft der Pitztaler Bergwelt wird hier besonders gut sichtbar.
Immer wieder kreuzen Steinböcke unseren Weg und halten uns bei diesem letzten doch steilen Stück des Tages bei bester Laune.
Herzlich werden wir nach 4 Stunden Fussmarsch auf der Kaunergrathütte auf 2.817 Meter empfangen. Das Essen ist köstlich, der Wein wunderbar und die Stimmung ausgelassen. Die erste Etappe ist geschafft!
Bevor wir ins Bett gehen, genießen wir noch den Ausblick auf den Vollmond.
Leicht erschöpft, aber voller Aufregung, was der zweite Bergtour-Tag bringt, fallen wir auf der Kaunergrathütte ins gemütliche Bett. Gute Nacht!
Facts zur Tour Tag 1: 863 hm im Anstieg, 340 hm im Abstieg, 7,4 km, ca. 4 h Gehzeit
Tag 2: Kaunergrathütte – Verpeilspitze – Plangeross
Nichts für Langschläfer! Nach einem köstlichen Frühstück auf der Kaunergrathütte beginnt am zweiten Tag sofort der Marsch auf die verpeilte Spitze Richtung Schwabenjoch. Es ist 7.30 Uhr als die Sonne uns auf unseren ersten paar hundert Höhenmeter überhalb der Kaunergrathütte begrüßt.
Jetzt wird es ernst und es beginnt unser Aufstieg zur Verpeilspitze.
Steile, rutschige Schuttfelder sind die erste Hürde. Und die Sicht auf die Verpeilspitze – die höchste Erhebung in der Bergreihe – erinnert uns daran, was wir uns heute noch vorgenommen haben. Oh oh!
Schotter und Schnee dominieren den Weg. Hier heißt es jetzt aufpassen und auch die Morgenmuffel unter uns sind spätestens jetzt putzmunter und hochkonzentriert.
Nicht lange dauert es und wir stehen vor der ersten Felswand. Die Kletterei kann beginnen! Passagen bis zum 2. Schwierigkeitsgrad erwarten uns.
Eine kleine Schlüsselstelle fordert uns schon gleich zu Beginn: mit Hilfe der Kletterausrüstung schaffen wir aber alle die rutschig, vereiste Passage am Fels.
Obwohl es nur 600 Höhenmeter im Anstieg sind, brauchen wir doch knappe 3 Stunden für die gesamte Tour. Dünne Luft und technisch äußerst anspruchsvolle Passagen lassen uns langsam vorankommen.
Schneehaserl im Sommer: Immer wieder finden wir uns in Rinnen wieder, die hier oben auf weit über 3.000 Meter schneebedeckt sind.
Unsere Mühe wird aber laufend belohnt: solche Aussichten motivieren uns auf dem Weg zur Verpeilspitze.
Ausgesetzte Passagen, viel Geröll, Steige, auf den letzten Metern Kletterei bis Stufe II+. Neben Kondition sind Trittsicherheit und Schwindelfreiheit absolut Voraussetzung.
Aber wir vertrauen unserem Können und unseren Bergführern und nähern uns hochmotiviert unserem Ziel.
Gerade am Schluss wird der Nebel teilweise immer dichter. Die Landschaft fühlt sich dadurch rauer an und macht unsere kleine Bergtour noch abenteuerlicher.
Und auf einmal stehen wir vor ihr: Die Verpeilspitze lacht uns hinter einer letzten Kurve entgegen.
Das Gefühl, wenn man oben angekommen ist: UNBESCHREIBLICH! Die Verpeilspitze ist erobert!
Berg heil! Die Verpeilspitze auf 3.425 Metern gehört uns!
Bei einer kleinen Stärkung genießen wir das Hochgefühl auf 3.425 Meter. Doch der Tag ist noch jung! Unsere Oberschenkel sind schon voller Vorfreude, als der Rückweg von der Verpeilspitze auf 3.425 Meter nach Plangeross auf ca. 1675 Meter beginnt!
Beim Abstieg fällt uns das Genießen leichter – hinter jeder Kurve erwarten uns neue Ausblicke und langsam kommt wieder die Sonne heraus.
Bei unserer Ankunft zurück auf der Kaunergrathütte herrscht schönstes Kaiserwetter zum Mittagessen. Glücklich feiern wir und unsere Bergführer die Rückkehr auf die Kaunergrathütte: alle haben die Verpeilspitze bestens gemeistert!
Nach Kaiserschmarrn und Knödelsuppe (was sonst?) nehmen wir auch die letzte Etappe in Angriff. Beim Abstieg genießen wir noch einmal die Aussicht auf die noch höhere Nachbarin der Verpeilspitze: die Watzespitze auf 3.533 Meter. Und wir schwören uns: auch du wirst eines Tages erobert!
Facts zur Tour Tag 2: 600 hm im Anstieg, 1910 hm im Abstieg, 13,5 km, ca. 8 h Gehzeit
Abschließender Hinweis:
Während die Wildspitze als höchster Berg Nordtirols auf 3.774m ein absolutes Highlight darstellt, ist die Verpeilspitze über die Grenzen hinaus eher noch unbekannt, aber mindestens genauso imposant. Auch bei individuellen Gipfeltouren auf die Verpeilspitze empfehlen wir, sich von einem Bergführer der Pitztaler Bergführervereinigung (beg)leiten zu lassen.
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