4 Mädels auf der Wildspitze

Immer freitags ist Zeit genug. Dann fährt der Gletscherexpress extra früher und man schafft die Mega-Tour mit Bergbahnunterstützung an einem Tag

Vier Stunden hoch, drei wieder runter. Zwischendurch ein Gipfelfoto von der Wildspitze (3768 m) in die Welt posten. Vom höchsten Berg Nordtirols, auf dem zumindest jeder Österreicher mit alpiner Ambition einmal in seinem Leben gewesen sein muss. Klingt nach einem guten Plan. Und durchaus machbar.

Bis ich am Freitag kurz vor 7 an der Talstation des Gletscherexpresses im Pitztal stehe – und sehe, wer da alles so kommt. Durchtrainierte Menschen in professioneller Ausrüstung, Sitzgurt und Karabiner zum Teil schon um die Hüften, Helm auf dem Kopf. Ob das wohl reicht, zweimal die Woche joggen und ansonsten mal gern in den Bergen wandern? Technisch anspruchsvoll soll es ja nicht sein. Aber die dünne Luft nahe der 4000er-Grenze lässt sich nicht wegdiskutieren. Bestätigen auch Fredi und Burkhard von der Pitztaler Bergführervereinigung, als sie mit uns in der Bahn stehen, bange Fragen beantworten und im Hintergrund versuchen, uns einzuschätzen.

Erste Etappe: 300 Höhenmeter über den Mittelbergferner hinauf zum Mittelbergjoch

Erste Etappe: 300 Höhenmeter über den Mittelbergferner hinauf zum Mittelbergjoch

Wir: Das sind vier Freundinnen. Die gerne wandern, sich ungern schinden, lieber das Leben genießen. Und die jetzt im Quartett das Muffensausen bekommen. Ruhig atmen, nichts anmerken lassen. Zunächst geht es ohnehin bergab, über Schotter und eisenhaltiges Felsgestein, das in seinem Rotbraun einen fast unwirklichen Kontrast zu den Schneeresten auf dem Gletscher bildet. Der ist heute griffig und rau, also keine Steigeisen. Dann beginnt der Anstieg. 300 Höhenmeter über den Mittelbergferner hinauf zum Mittelbergjoch. Die Gruppe dehnt sich auseinander. Den Bergführern wird klar, wen sie gleich in welche Seilschaft nehmen.

Vier Mädels on Tour in bester Begleitung auf dem Weg zur Wildspitze im Pitztal

Vier Mädels on Tour in bester Begleitung auf dem Weg zur Wildspitze im Pitztal

Aber erst mal den Blick ins Wildspitz-Reich genießen. Gleißend weißer Schnee, Eisformationen in graublau, dazwischen Seilschaften, die aus der Ferne schwarz wirken und an Ameisenstraßen erinnern, wie sie sich den Taschachferner hinauf schlängeln. Einige sind im Morgengrauen vom Taschachhaus gestartet, andere von der Braunschweiger Hütte. Kein Wunder, dass sie es schon so weit gebracht haben.

Einzigartige Aussichten auf unserer Wildspitz-Tour begleiten uns

Einzigartige Aussichten auf unserer Wildspitz-Tour begleiten uns

Wir Freundinnen finden uns in der langsamen Tagesausflügler-Gruppe. Lassen uns brav von Burkhard anseilen und tapsen ihm hinterher. Mal gibt es vor mir fast einen Auffahrunfall, mal hinter mir. Eine ordentliche Seilschaft geht anders. „Gleichmäßig“, mahnt unser Bergführer und wir geben uns alle Mühe. Ganz langsam, Schritt für Schritt im Zeitlupentempo. Schon bald redet keine mehr. Und trotzdem geht der Atem immer schneller, pendelt sich auf Jogging-Niveau ein. Ich fühle mich allmählich wie ein Roboter, der so bewegungsökonomisch wie möglich einen Fuß vor den anderen setzt.

Die andere Seilschaft ist uns schon weit voraus: aber Gemütlichkeit geht bei der 4-Mädels-Tour vor ;-)

Die andere Seilschaft ist uns schon weit voraus: aber Gemütlichkeit geht bei einer 4-Mädels-Tour vor 😉

Nach etwa einer Stunde Trinkpause auf 3400 Metern. Ist wie aufwachen und die Umgebung wieder bewusst wahrnehmen. Das blanke Eis der Gletscherbrüche an den Flanken rundum, die dunklen Felsen hinter uns, auf denen das Café 3440 thront, das man beim Skifahren auf den Pitztaler Gletscher immer von der anderen Seite sieht. Und wenn man den Kopf in den Nacken legt: das mächtige Schneefeld, das vor uns liegt.

Mal von einer anderen Perspektive aus: das Café 3.440 auf dem Brunnenkogel

Mal von einer anderen Perspektive aus: das Café 3.440 auf dem Brunnenkogel

Burkhard nimmt uns kürzer ans Steil, reduziert den Abstand von vier auf zwei Meter. „Jetzt wird es richtig steil und wir sichern uns gegen das Abstürzen am Berg“, erklärt er. „Das längere Seil eben war eine Vorsichtsmaßnahme wegen der Gletscherspalten, über die wir drüber sind.“ Da lag zwar Schnee drauf, hätte frau sich aber trotzdem denken können.

Weiter geht’s im Gänsemarsch. Links rückt das Gipfelkreuz der Wildspitze ins Blickfeld. Sieht nicht mehr weit aus. Dauert aber trotzdem noch eine gute Stunde bis zum Depot. Das ist der Platz, an dem die Skitourengeher im Winter ihre Bretter abschnallen, um den Gipfel zu erklimmen. Keine Ahnung, wie man das mit Skischuhen schaffen soll.

Angekommen am Depot - die letzten 30 Minuten Aufstieg liegen vor uns

Angekommen am Depot – die letzten 30 Minuten Aufstieg liegen vor uns

Wir lassen die Rucksäcke unten und bereiten uns mental auf die letzten 20 Minuten Kletterei vor. Füße und Hände sind eingefroren, es weht ein eisiger Wind. Wir müssen immer wieder anhalten, diverse Seilschaften sind schon auf dem Rückweg und kommen uns auf dem schmalen Grad von oben entgegen. Kurz unterhalb des Gipfels dann die Schlüsselstelle: Ein kleiner Absatz für die Füße, kein Stahlseil, nichts. „Hier umgreifen“, sagt Burkhard und deutet auf die möglichen Griffe. Nicht denken, einfach machen. Hat funktioniert. Schnell das Gipfelfoto im Nebel – der Blick soll übrigens gigantisch sein. Dann einen Schluck Obstler aus dem Flachmann – und flux wieder runter, bevor man weggeweht wird.

Geschafft!

Geschafft!

Gipfelselfie am Dach Tirols auf der Wildspitze auf 3.774m

Gipfelselfie am Dach Tirols auf der Wildspitze auf 3.774m

Bergab legen wir ohnehin ein Spitzentempo vor. Nutzen die Bergschuhe als Skier, rutschen mehr, als dass wir gehen. Fallen dabei immer wieder in den weichen Schnee, oft mit Dominoeffekt. Irgendwann sind die Socken so nass wie die Hose. Aber egal: Voll der guten Endorphine geht’s zurück zum Gletscherexpress. Bei den beiden letzten Anstiegen dann ist die Luft raus. Wir trödeln, fotografieren Blümchen und Gräser zwischen Felsgestein – und erfüllen schnatternd das Frauenklischee. Denn es bleibt ohnehin genügend Zeit für das Abschluss-Bier am Berg, bevor um 16 Uhr der letzte Gletscherexpress zurück ins Tal fährt. Und warum sollte man sich jetzt noch mehr verausgaben als unbedingt notwendig?

Der Rückweg zieht sich - auf dem Weg zurück zum Mittelbergjoch

Der Rückweg zieht sich – auf dem Weg zurück zum Mittelbergjoch

Voller Endorphine wieder sicher im Tal angekommen - darauf erst einmal ein verdientes "Geschafft"-Bierchen

Voller Endorphine wieder sicher im Tal angekommen – darauf erst einmal ein verdientes „Geschafft“-Bierchen

Die Tour im Überblick:
Wer die Wildspitze (3768 m) an einem Tag schaffen möchte, fährt mit dem Gletscherexpress auf 2840 Meter. Von hier führt der Weg zu Fuß über wegloses Moränengelände und den Mittelbergferner (zweitgrößter Gletscher Österreichs) zum Mittelbergjoch (3166 m) und in einem kurzen Abstieg (70 m) zum Taschachferner. Als Seilschaft geht es die nächsten 500 Höhenmeter durch technisch einfaches Gelände zum Südgrat der Wildspitze, wo die letzten 100 Höhenmeter am kurzen Steil mit kleineren Kletterpassagen überwunden werden müssen. Ca. 1000 Höhenmeter im Aufstieg, rund vier Stunden Gehzeit.

Termine und Preise:
Die Pitztaler Bergführervereinigung bietet die Wildspitztour bis 23. September immer freitags an. Dann startet der Gletscherexpress bereits um 7 Uhr und es bleibt ausreichend Zeit für das hochalpine Abenteuer. Die geführte Tour kostet 90 Euro pro Person, die Berg- und Talfahrt mit dem Gletscherexpress 21 Euro. www.bergfuehrervereinigung-pitztal.com

Infos zur Autorin Judith Kunz
Judith Kunz ist seit 2006 Gründerin und Geschäftsführerin ihrer eigenen PR Agentur Kunz PR und seit einigen Jahren auch im Pitztal unterwegs. Obwohl wohnhaft im Herrsching, Deutschland hat sie im Pitztal eine eigene Wohnung und ist leidenschaftlich gerne in den Pitztaler Bergen unterwegs. Mit ihren Tourimus-Kolleginnen Sabine Fein (Kunz PR), Manuela Draxl (Hochzeiger Bergbahnen in Jerzens / Pitztal) und Nathalie Zuch (TVB Pitztal) hat sie es sich in den Kopf gesetzt, die Wildspitze neben der Pressetext-Persepektive auch einmal live zu erleben. Und wie man sieht: was sich die Judith vornimmt, das macht sie auch 😉

Danke liebe Judith, für den Beitrag!

 

Hashtag: #DachTirols

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