Faktencheck: Warum eine Lawine kein Schneeball ist
Das menschliche Gehirn ist schon etwas faszinierendes. Denkt man an große Katastrophen, erinnert man sich meist zuerst an kleine Details, die im großen Geschehen normalerweise eine eher geringe Auswirkungen haben.
Ein ähnliches Szenario spielt sich bei dem Gedanken an Lawinen ab.
Was seht ihr als erstes, wenn ihr daran denkt?
Nun, zugegeben, die Überschrift und das Bild des heutigen Blogbeitrages zeichnen schon ein spezielles Bild. Dennoch ist es eher die lustige Schneeballlawine, die hinter einer Cartoon-Figur auf Skiern hinterherkullert, als die zerstörerische weiße Masse, die vor dem geistigen Auge aufpoppt.
Ein Paradebeispiel präsentiert uns die beliebte Serie Tom & Jerry. Wie so oft ist der von Unheil geplagte Kater Tom derjenige, der sich vor dem großen Schneeball nicht zu retten vermag.
Prinzipiell immer, jedoch gerade in einem Winter wie heuer, in dem überdurchschnittlich viel Schnee innerhalb kurzer Zeit gefallen ist und sich die Lawinenwarnstufe meist zwischen drei und vier auf der fünfstufigen Skala bewegt, ist es wichtig, die Aufmerksamkeit auf die weiße Pracht und ihre Kraft zu legen, die sich sehr schnell in ein weißes Monster verwandeln kann.
Lawinenarten
Lawine ist nicht gleich Lawine. Prinzipiell ist eine Lawine das Abrutschen von Schnee und Eis. Der Alpenverein gliedert diesen Prozess in vier Kategorien ein: Schneebrett-, Nassschnee-, Gleitschnee- und Lockerschneelawinen. Dabei werden sie nach ihren äußerlichen Merkmalen wie etwa Form des Anrisses und der Bewegung oder Feuchtigkeit und Material der Lawine unterschieden. Welche Lawine sich schlussendlich entwickelt, hängt hauptsächlich von den Wetterverhältnissen sowie der Schnee- und Geländebeschaffenheit ab.
Schneebrettlawinen
Die dominierende Gewalt am Berg ist die Schneebrettlawine, sowohl für Wintersportelnde als auch für die Umgebung. Rund 90 % der Lawinenopfer sind auf Schneebrettlawinen zurückzuführen. Ausgelöst werden diese Lawinen durch die Belastung von Mensch oder Tier, wodurch der Initialbruch entsteht, welcher meist oberhalb des Auslösers ist. Deswegen sind Schneebrettlawinen auch so gefährlich. Der Bruch zieht sich anschließend linienförmig durch die Schwachschicht. Wie schnell und wie weit sich der Bruch ausbreitet, hängt von den Eigenschachten der Schwachschicht und der darüber liegenden Schicht ab. Schneebretter können eine Geschwindigkeit von bis zu 100 km/h erreichen.
Lockerschneelawinen
Lockerschneelawinen lösen sich meist während oder kurz nach einem Schneefall oder stark steigenden Temperaturen. Charakteristisch ist ein punktförmiger Anriss und eine birnenförmige Ausbreitung. Lockerschneelawinen sind im Vergleich zu Schneebrettlawinen zwar langsamer, sie reißen beim Abgleiten aber immer mehr Schnee mit (Schneeballeffekt) und werden dadurch immer größer. Je nasser der Schnee, desto geringer kann die Neigung für eine Lawine sein. Ist eine ganze Schneedecke durchfeuchtet, kann sogar bei weniger als 30° eine Lockerschneelawine losgetreten werden.
Staubschneelawine
Staublawinen treten meist in Kombination mit Schneebrettlawinen auf. Sie sind vergleichbar mit einem Wirbelsturm oder auch einer Wasserwelle, da durch die Mischung von Schnee und Staub eine ähnlich gewaltige Druckwelle entsteht. Staublawinen können bis zu 300km/h schnell werden und oft auch am gegenüberliegenden Hang große Schäden anrichten.
Gleitschneelawinen
Gleitschneelawinen ähneln im Anriss den Schneebrettlawinen, mit dem Unterschied, dass die gesamte Schneedecke auf einmal abrutscht. Die Schwachschicht dieser Lawinenart ist der Boden. Felsplatten oder vom Schnee platt gedrücktes Gras sowie eine Neigung von über 15° sind hier die ausschlaggebenden Bedingungen, dass sich eine Gleitschneelawine löst. Für Wintersportelnden ist es eine eher ungefährlichere Art, da sie nicht von ihnen ausgelöst werden kann. Sie fließen ob ihrer Dichte zwar langsamer, können aber dennoch Geröll und sogar Bäume mitreißen.
Nassschneelawine
Ähnlich wie bei der Gleitschneelawine werden Nassschneelawinen durch instabile Schichten ausgelöst. Nassschneelawinen treten häufiger im Frühjahr auf, wenn es auf die Schneeschicht regnet oder das Wetter wärmer wird. Das Wasser dringt in die Schneedecke ein und zerstört die Bindungen zwischen den einzelnen Schichten. Weisen diese große Korngrößenunterschiede auf, sammelt sich das Wasser an, was zu einer Instabilität führ. Auslöser können Wintersportelnde oder auch große Brocken sein.
Der Mythos vom Davonfahren
Rund um Lawinen häufen sich Irrtümer und Mythen. Manche sind amüsant, andere wiederum sehr bedenklich, wenn man bedenkt, wie starrköpfig sich einige von ihnen halten.
So auch der Mythos vom Davonfahren: Wenn man sich nicht gerade bei einem Videodreh für einen James-Bond- oder Marvel-Film mit unzähligen Special Effects befindet, hat man gegen eine Lawine keine Chance. Zwischen 70 und 400 km/h können die Schnee- und Staubmassen erhalten und da kann man der erfahrenste Mensch auf Skiern sein – das ist einfach unmöglich.
Ein auch weit verbreiteter, meist durch Animationsfilme vermittelt, Mythos ist, dass man eine Lawine durch lautes Schreien (oder Jodeln) auslösen kann. Dies hat einer Studie des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos mehrfach widerlegt (www.suedostschweiz.ch). Es bedarf demnach zwischen 200 und 500 Pascal, um eine Lawine auszulösen. Der Vergleich: Ein menschlicher Schrei erzeugt ein bis zwei Pascal.
Lawinensprengungen
Amüsant zu beobachten ist als Local die kurzzeitig aufsteigende Panik in den Augen eines Urlaubenden (vor allem im Raum Innsbruck), wenn ein lautes BUMM!! zu hören ist.
Wie so eine Lawinensprengung im Pitztal ausschaut, zeigen die folgenden Videos: