Ein Freeride Tag im Pitztal in Tirol

Anfang März ist es wieder mal soweit. 30 cm Neuschnee über Nacht und Sonnenschein versprechen beste Bedingungen am Dach Tirols. Also raus mit den Freeride-Latten und auf zur Rifflseebahn, wo Guide und Kollege Marco vom Freeride Center Pitztal bereits wartet. „Bin gerade schon zweimal Eisturm-Rinne gefahren – super geht’s“, grinst er mit entgegen. Das Gebiet rund um den Rifflsee, mit über 2.300 m der höchstgelegene Bergsee Tirols, eignet sich perfekt http://www.medicineid.com/ für den Start in einen Freeride Tag. Besonders die kurzen Runs durch den lichten Wald unter dem Muttenkopf und durchs Hirschtal in östlicher bzw. südöstlicher Exposition versprechen verspieltes Gelände und feine Tree Runs. Zauberwald, Skilehreralle, Eisturmrinne, Hüttenrinne und andere geheime Namen haben diese Abfahrten, welche die local Guides wie Marco wie ihre Westentasche kennen. Aber aufgepasst, Teile dieses Bereichs sind Wildschutzgebiet!

Wir fahren gleich hinauf mit der Rifflseebahn und orientieren uns zur Eisturmrinne, benannt nach dem ehemaligen künstlichen Eiskletterturm in Mandarfen, den man genau von dieser Rinne aus im Visier hatte. Die ersten Schwünge im offenen Gelände – ein Traum nach dieser doch eher schneearmen Saison. Der Schnee spritzt, die fetten Powderski pflügen durch den leichten Deckel, der durch den nächtlichen Windeinfluss entstanden ist. Dem Spaß tut es keinen Abbruch, der Adrenalinpegel steigt, ebenso wie der Puls.

First Lines im Grubenkar

First Lines im Grubenkar

Im unteren Teil ist nämlich Aufmerksamkeit angesagt. Powder Pillows aus Baumstümpfen, Slalom durch offenen Baumbestand und kleine schneebedeckte Felsen erfordern Reeaktion und gönnen den Oberschenkeln keine Entspannung – gut so, den das Pitztal ist für echte Skifahrer, Powder-Jünger, die wahre Action auf zwei Brettern (oder einem Brett:)) suchen 😉

Nach der Eisturmrinne geht’s in den Zauberwald. Erstaunlich viel Schnee liegt dort im lichten Wald nahe des Hirschtals, der bekannten Qualifikationsstrecke für das Pitztal Wild Face Freeride Extreme. Ich höre ein kurzes: „Jeder sucht seine Linie und unten treffen wir uns wieder“, und schon ist Marco im Wald verschwunden, eine Staubwolke aus frischem Pulverschnee hinter sich aufwirbelnd. „Zauberwald“ trifft es ganz gut. Kleine Kuppen, offen stehende Fichten, Pillows – perfekte Zutaten für einen großen Abenteuerspielplatz mit Sprüngen, großen und kleinen Schwüngen. Doch bei allem Spaß weist Marco zurecht daraufhin: „Wir müssen ein wenig aufpassen heute. Der Wind über Nacht hat Triebschnee verfrachtet, der sich besonders hinter Kuppen und beim Übergang von viel zu wenig Schnee leicht als Schneebrett auslösen lässt.“ Mit Erfahrung in der Beurteilung der örtlichen Situation und  angepasster Spurwahl, kann man das Risiko jedoch recht gut minimieren.

Nun zieht es uns in höhere Gefilde. Mit dem Sessellift geht es hinauf zum Grubenkopf auf 2.800 m.

Blick vom Mittagskogel auf den Grubegrat mit seinen weiten Hängen

Blick vom Mittagskogel auf den Grubegrat mit seinen weiten Hängen

Hier oben befindet sich der Einstieg ins Grubenkar; weitläufiges nicht allzu steiles Gelände. Zuerst biegen wir direkt hinter der Bergstation des Sessellifts nach Südosten in die breite Rinne ab. Vorsicht, hier können auch gerne Lawinen abgehen! Wir jedoch genießen den Pulver, auch wenn sich die stärkere Sonneneinstrahlung in dieser Exposition schon bemerkbar macht. Im Frühjahr kann man hier den perfekten Firn erwischen, sollte jedoch die Gefahr von Nasschneelawinen bei zu starker Erwärmung ab Mittag beachten. Nach kurzer Querung spuckt uns der Run wieder auf der Talabfahrt aus. Die direkt an der Piste liegende Pitztaler Skihütte lockt zwar verführerisch mit einer kurzen Erfrischungspause, wir jedoch wollen unbedingt noch einmal ins Grubenkar. Also wieder rauf mit Rifflsebahn und Sessellift. Oben am Grat fahren wir jedoch diesmal nicht direkt in die Rinne, sondern folgen dem Grat Richtung Südwesten. Nach kurzer Zeit droppen wir in einen traumhaften weiten Hang und ziehen unsere Schwünge Richtung Taschachtal. Je weiter man dem Grat folgt, bevor man abfährt, desto weiter muss man am Ende wieder Richtung Skigebiet zurück queren oder über den Bach mühsam zum Taschachtalfahrweg gelangen.

IMG_0843 Luftsprünge im Taschachtal

Luftsprünge im Taschachtal

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Ewiges Eis und Powder Genuss bis ins Früjahr am Pitztaler Gletscher

Gegen Mittag nun ist es Zeit, zum Gletscherskigebiet zu wechseln. Auch ein Vorteil im Pitztal: Hat man das ganze Gebiet um den Rifflsee erkundet, was sowieso einige Zeit braucht, wartet der Pitztaler Gletscher mit seinen schier unendlichen Freeridemöglichkeiten. Los geht’s also mit dem Gletscherexpress, der uns nach acht Minuten auf 2.840  m Höhe bringt. „Jetzt erst mal Mittagspause“, bestimmt Marco. Recht hat er, nach zahlreichen Runs haben wir uns eine Stärkung im Gletscherestaurant verdient. Besonderer Tipp: Mehlspeisen aus der höchsten Konditorei Österreichs, mit viel Liebe zubereitet von Norbert Santeler und seiner Tochter Steffi.

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Auf der 3.000 m hohen Scharte des Mittagskogels

Gestärkt nach der Pause haben wir uns nun das Highlight des Tages vorgenommen: Der 3.162 m Mittagskogel wartet noch jungfräulich auf seine Erstbefahrer an diesem Neuschneetag. Wir wählen diesmal nicht den Gipfel als Ziel, sondern die knapp über 3.000 m hoch liegende Scharte südwestlich des Gipfelkreuzes. Der Preis für die First-Line ist hoch heute. Bis zur Hüfte sinkt man im Schnee ein, jeder Schritt wird zur Qual. Ich komme mit vor, wie Reinhold Messner auf den letzten Metern zum Everest und Marco flucht ebenso vor sich hin: „So eine Schinderei!“. Nach fast doppelt so langer Zeit wie üblich stehen wir endlich auf der Scharte. Wunderbar! Der Ausblick auf das schmale Tal mit seinen verstreuten Weilern und den steilen, majestätischen Bergflanken ist beeindruckend schön. Vor uns sehen wir den Kamm des Kaunergrats und studieren unsere Routen durchs Grubenkar vom Vormittag. Nach kurzer Verschnaufpause geht’s los.

Auf windgepresstem, steinigem Untergrund queren wir zunächst vorsichtig etwas nach links bis wir oberhalb einer schmalen Rinne stehen. „Einzeln fahren, zuerst ich, dann Du“, gibt Marco die Marschroute vor. IMG_0836

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Das Dach Tirols 🙂

Skeptisch ob der Schneequalität und in Erwartung von grausigem Bruchharsch schaue ich ihm beim Drop-in zu. Ein paar weite, dynamische Schwünge später steht er schon am vereinbarten, sicheren Wartepunkt. Nun also ich. Einfahrt in die Rinne, der erste zögerliche Schwung, dann die Überraschung – geht gar nicht schlecht! Also Handbremse los und ein paar Schwünge durch staubenden Schnee später, stehe ich neben Marco auf dem schmalen Felsrücken. Er grinst und jagt die Direttissima auf der anderen Seite des Rückens hinunter. Ich wähle meine eigene Line und nehme die andere Seite. Nach ein paar weiteren Schwüngen in der schmalen Rinne öffnet sich der Hang. Endlos weit, so viel Platz, dass wir heute zehnmal unsere eigene Spur setzen könnten. Mit einem Big Smile im Gesicht klatschen wir am nächsten Wartepunkt auf einer kleinen Kuppe ab. Fantastisch heute! Und das beste: wir haben erst die Hälfte der Abfahrt hinter uns, knapp 1.500 Hm sind halt eine Ansage. Nun treffen wir langsam wieder auf die ersten Bäume, das Gelände wird verspielter. Das Highlight im unteren Teil: „Little Japan“.Der offene Birkenbestand erinnert tatsächlich ein wenig an die typischen Szenen aus japanischen Ski-Filmen. Während ich durch den Pulver zwischen den Birken pflüge, fehlen eigentlich nur noch die Affen, und das Japan-feeling wäre perfekt 😉

Infos zum Freeriden im Pitztal gibt es hier.

Eine Übersicht der Freeride Guides und Bergführer haben wir hier zusammengestellt.

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